(Vogtlandkreis). Der kürzlich – vier Tage andauernde – Stromausfall in der Hauptstadt Berlin zeigte eindrucksvoll, wie abhängig heute Menschen und Infrastruktur vom Strom sind. Er zeigte auch, wie wenig Menschen und Behörden (trotz vielfältiger Warnungen) auf einen Angriff auf die sogenannte Kritische Infrastruktur (KRITIS) wirklich vorbereitet sind. Beatmungspatienten mussten aus Pflegeheimen verlegt werden. Polizeistationen wie Rettungsleitstellen waren ohne Strom und damit ohne Erreichbarkeit des Notrufes. Menschen irrten hilfesuchend in der Dunkelheit durch die Straßen. Hier ist der Vogtlandkreis deutlich weiter, zeigte sich Landrat (LR) Thomas Hennig nach Begrüßung der Pressevertreter am 18.09.2025 in der Rettungswache Reichenbach/V. überzeugt.


Stromausfall länger als zwei Stunden = Ausfall der Kommunikation. Auch der Notrufnummern!
Auf ein solches Szenario wie in Berlin muss man sich vorbereiten, um nicht im Ernstfall davon überrascht zu werden, betonte der Landrat. Denn auf eine entsprechende Nachfrage des Redakteurs der FREIE PRESSE (FP) wurde deutlich: Einen 100%-igen Schutz gibt es auch im Vogtland nicht. Bei einem Stromausfall fallen zu Hause die W-LAN-Router und damit Festnetztelefonie in der Regel sofort aus. Aber auch Handys bieten nur zeitlich begrenzt Schutz und Erreichbarkeit.
Jens Leistner, Geschäftsführer (GF) des Rettungszweckverbandes (RZV) Südwestsachen, erläuterte, dass die Betreiber die Stromversorgung der Mobilfunkmasten nur zwischen 20 bis maximal 120 Minuten mit Batterien gepuffert haben. Heißt im Klartext: Nach spätestens zwei Stunden fallen die Masten (damit auch die Funknetze für Mobiltelefone) aus. Nicht nur bei der Bevölkerung, sondern auch bei (bisher ungeschützten) Einrichtungen wie z.B. mobilen Pflegediensten oder stationären Pflegeheimen. Denn nur Krankenhäuser sind gesetzlich verpflichtet, Notstromaggregate vorzuhalten. Die Redaktion des Heimatbote Vogtland (HBV) hatte auf dieses Szenario z.B. bei Pflegeheimen bereits im Artikel vom 1.8.2025 aufmerksam gemacht.
Notfallmeldestellen als Anlaufpunkte für die Bevölkerung nach Wegfall der Telefonie
Daher hatte der Vogtlandkreis schon länger geplant und befindet sich nun in der Umsetzung der Notfallmeldestellen (NMS). Diese NMS dienen als Anlaufpunkte für die Bevölkerung im o.g. Szenario, wenn also die Kommunikation inklusive der bekannten Notfallnummern 110 und 112 ausfällt. Auf Nachfrage des FP-Redakteurs bestätigte Herr Kühnert, Leiter der Rettungsleitstelle Zwickau, das genau dies bei einem längeren Stromausfall geschieht.



Kühnert bestätigte auf entsprechende Nachfrage des HBV-Redakteurs aber auch, dass es zum Ausfall der Notrufnummern schon Übungen gab. Letztlich soll über den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) die Weitergabe von Informationen von den NMS an die Rettungsleitstelle abgesichert werden. Auch das funktioniert allerdings nur so lange, die die BOS-Masten und die Gegensprechstellen mit (Not-)Strom versorgt sind.
RZV-GF Jens Leistner ergänzte: „Notfälle kennen keinen Stromausfall oder technische Grenzen. Mit den Notfallmeldestellen schaffen wir eine zusätzliche Möglichkeit, dass Hilfe zuverlässig angefordert werden kann. Auch dann, wenn bisher gewohnte Kommunikationswege nicht funktionieren. Das gibt uns als Rettungsdienst die Sicherheit, schnell reagieren zu können und stärkt somit das Vertrauen der Bevölkerung.“
Für die Bevölkerung stehen künftig 124 Notfallmeldestellen im Vogtlandkreis zur Verfügung.
Kreisbrandmeister Gerd Pürzel erläuterte den Medienvertretern das entwickelte NMS-Konzept.







Die Notfallmeldestellen befinden sich künftig meist in Feuerwehrgerätehäusern, Rathäusern und ähnlichen öffentlichen Gebäuden sowie Rettungswachen. Sie werden im Notfall überwiegend von ehrenamtlichen Kameraden (beiderlei Geschlechts) der Freiwilligen Feuerwehren (FFW), sowie von Hilfsorganisationen (HiOrgs) wie dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) oder der Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) betrieben. Für die Erkennbarkeit sind die Notfallmeldestellen mit einer dauerhaften Beschilderung ausgweisen und bei Aktivierung zusätzlich gekennzeichnet. Die Notfallmeldestellen werden ausschließlich nur bei außergewöhnlichen Ereignissen besetzt. Sofern im Falle kurzzeitiger Störungen nur einzelne Kommunikationsmittel ausfallen, kommen die NMS nicht zum Einsatz.
Erste Notfallmeldestelle in Betrieb genommen: Rettungswache Heinsdorfer Grund
Gemeinsam brachten Landrat Thomas Hennig sowie RZV-GF Jens Leistner die auffällig roten Schilder im Einfahrtsbereich der Rettungswache an. „Wir wollen, dass unsere Bürgerinnen und Bürger auch dann Hilfe bekommen, wenn die gewohnten Wege einmal nicht funktionieren“ so Hennig und weiter: „Mit den Notfallmeldestellen schaffen wir eine zusätzliche Sicherheitsebene und stärken den Schutz der Bevölkerung. Dies schaffen wir nur gemeinsam mit den Städten und Gemeinden sowie den Rettungszweckverband Südwestsachsen, vielen Dank für die Unterstützung.„



Die erste NMS wurde somit symbolisch und tatsächlich an der Rettungswache Reichenbach/V. (Heinsdorfergrund, im Industriegebiet Am Windpark) in Betrieb genommen. Weitere sollen folgen, so dass zum 1.1.2026 planmäßig 124 Notfallmeldestellen im Vogtlandkreis zur Verfügung stehen.
Bürger-Notfunk als zusätzliches Sicherheitsnetz? Vogtlandkreis ist dazu mit DARC im Gespräch
Die im Vortrag geäußerte Erwartungshaltung ist, dass betroffene Bürger/ Einrichtungen im Ernstfall die nächstgelegene Notfallmeldestelle aufsuchen. Dies wurde durch den anwesenden HBV-Redakteur hinterfragt: „Die Personaldecke im Pflegebereich ist dünn. Unter Umständen kann gar niemand persönlich zur NMS kommen- z.B. wenn Pflegekräfte bzw. Angehörige mit Reanimationsmaßnahmen beschäftigt sind?“ RZV-GF Leistner verwies zu Recht darauf: Vollkasko-Mentalität („Der Staat wird mir helfen“) ist beim Thema Notfallvorsorge ein ganz schlechter Ratgeber.
Bevölkerungsschutz kann nur funktionieren, wenn sich Bürger und Einrichtungen auch selbst vorbereiten. Das sollte zu eigenen Überlegungen führen, wie z.B. ein ausreichender Personalschlüssel oder eben Alternativen wie Funk sichergestellt werden können. Hierzu führte der Vogtlandkreis bereits mit DARC– Vertretern (Fachverband der Amateurfunker) erste Gespräche. Nach § 2 Ziff. 2 i.V.m. § 5 Absatz 5 des Amateurfunkgesetzes können Funkamateure Für für die Unterstützung von Hilfsaktionen in Not- und Katastrophenfällen herangezogen werden. Die Ebene unterhalb des lizenzpflichtigen Amateurfunks verortete RZV-GF Jens Leistner in der Zuständigkeit der sog. Bürger-Informations-Zentren (BIZ), also bei den Gemeinden. Hier könnte es z.B. um Suchmeldungen gehen. Der Landkreis Soest ist z.B. bei dieser Form des Bürger-Notfunkes schon bei der Umsetzung weiter.
Für die Schnittstelle Funk (egal ob PMR, Freenet, CB- oder Amateurfunk) hat die Heimatstiftung Greiz-Vogtland (HSt GRZ-V) e.V. bereits das Bürger-Projekt (BP) Bürger-Notfunk umgesetzt. Hier geht es um Hilfe zur Selbsthilfe, nicht um das Ersetzen des staatlichen BOS-Funks. Schon 2022 gab es dazu eine erste – gut besuchte – Info-Veranstaltung. Ebenso widmete sich der Heimatbote Vogtland (ein Medienprojekt der HSt GRZ-V) wiederholt mit Artikeln dem wichtigen Thema Bevölkerungsschutz. Im lokalen und regionalen Umfeld ist die Meldekette auch über lizenzfreie Möglichkeiten des PMR-, Freenet- und CB-Funks möglich. Aber auch das muss abgestimmt und regelmäßig geübt werden. Dafür wurde das BP Bürger-Notfunk entwickelt.
Hintergrund:
- Die Notfallmeldestellen nur dann aufsuchen/ nutzen, sofern die Notrufnummern 110 bzw. 112 tatsächlich nicht erreichbar sind.
- Im Normalfall gilt weiterhin: Nutzen Sie wie gewohnt die Notrufnummern per Festnetz- oder Mobiltelefon!
- Die Standorte aller Meldestellen werden über die Internetseite des Vogtlandkreises, der Gemeindeverwaltungen sowie über Aushänge in den Orten bekanntgegeben.
Der Vogtlandkreis empfiehlt allen Bürgerinnen und Bürgern, sich schon jetzt zu informieren, wo sich die für sie nächstgelegene Notfallmeldestelle befindet. Eine Übersicht ist auf der Website des Vogtlandkreises zu finden.




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