(Greiz/ 10.04.2025) Die Kommunalaufsicht Greiz gab einer Beschwerde der AfD-Bürgerfraktion Recht, dass der Greizer Bürgermeister gegen gesetzliche Vorschriften der Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) verstoßen hat. Das Schreiben liegt unserer Redaktion vor.

Wie die AfD-Bürgerfraktion im Stadtrat Greiz in einer Pressemitteilung (PM) mitteilte, hatte sie am 30.03.2025 bei der Kommunalaufsicht Greiz im Landratsamt Beschwerde wegen verschiedener Amtspflichtverletzungen des Greizer Bürgermeisters (BM) Alexander Schulze eingereicht. Die Kommunalaufsicht gab der Fraktion – wie schon 2022 – im wesentlichen in allen drei Kritikpunkten recht.
Keine Ladung des Stadtrates Greiz durch den BM – trotz vorherigen einstimmig gefassten Beschluss
Der schwerste Vorwurf war dabei laut Pressemeldung der Umstand, dass der Bürgermeister Beschlüsse nicht umsetzt. Der Stadtrat Greiz hat in seiner Dezember-Sitzung 2024 einen Antrag der SPD-Fraktion bestätigt. Ziel des Antrages von Stephan Marek (SPD) war es, dass im Januar 2025 die 30 gewählten Stadträte in einer Sitzung zusammenkommen. Dort sollte BM Schulze „Eckdaten des HH-Entwurfes 2025 vorstellen“, damit sich die Stadträte überhaupt ein Bild zur finanziellen Lage machen können. Dem wurde vom Stadtrat Greiz einstimmig zugestimmt.
Einstimmig bedeutet in diesem Fall, dass alle anwesenden Stadträte fraktionsübergreifend dieser Vorlage zugestimmt hatten. Übrigens hatte auch der Greizer Bürgermeister (kraft Amt im Stadtrat) damals mit Ja gestimmt. Umgesetzt hatte Schulze diesen Beschluss aber nicht. Weder im Januar noch überhaupt im 1. Quartal 2025. Dies hatte die AfD-Bürgerfraktion unter Verweis auf die Vorschriften zu den Amtspflichten eines Bürgermeisters laut ThürKO moniert. Die Kommunalaufsicht kommt in ihrem Antwortschreiben bei diesem Kritikpunkt zur sehr eindeutigen rechtlichen Einschätzung
„Im Ergebnis hat der Bürgermeister damit gegen die Vollzugspflicht aus § 29 Abs. 1 Satz 2
ThürKO verstoßen.“
Offenbar ist dieser Verstoß auch keine kleine Lappalie. Denn in ihrer Antwort teilt die Kommunalaufsicht Greiz ferner mit:
Wir haben den Sachverhalt zum Anlass genommen, den Bürgermeister auf die Verpflichtungen
aus § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürKO hinzuweisen und dazu aufgefordert, künftig verstärkt darauf zu
achten, dass Stadtratsbeschlüsse vollständig und rechtzeitig umgesetzt werden.
Wirtschaftsjurist Torsten Röder, der Chef der AfD-Bürgerfraktion, zeigt sich laut übersandter PM erfreut über das Ergebnis: „Der Bürgermeister hat einen Eid geschworen, die Verfassung und Gesetze einzuhalten. Er scheint aber zu meinen, über dem Gesetz zu stehen. Dem hat die Kommunalaufsicht nun einen Riegel vorgeschoben“. Aus gut unterrichteten Kreisen war inzwischen zu vernehmen, dass die strittige Stadtratssitzung am 16. April 2025 nachgeholt werden soll.
„Hinterzimmer-Politik“ in rechtlich nicht existenten Ausschüssen ebenfalls nicht möglich
Der zweite Kritikpunkt der AfD-Bürgerfraktion war, dass seit über 30 Jahren der städtische Haushalt (HH) quasi „ausgekungelt“ wird. CDU wie SPD hatten dazu einen „erweiterten Haupt- und Finanzausschuss (HFA)“ erfunden, den es laut ThürKO bzw. Geschäftsordnung des Stadtrates (GO-SR) gar nicht gibt. Die Vizechefin Cornelia Tristram meint dazu: „Umlandgemeinden leben beim Thema Haushalt schon lange Transparenz – durch eine jeweils öffentliche 1. und 2. Lesung. In Greiz gibt es unter SPD- wie CDU-Führung dagegen Hinterzimmer-Politik wie im letzten Jahrhundert“. Denn in der Kreisstadt gab es, anders als zum Beispiel in Zeulenroda-Triebes, immer nur eine öffentliche Sitzung. In dieser wurde dann der Haushalt von den Mehrheiten „durchgewunken“. Auch hier sieht die Kommunalaufsicht eher den AfD-Standpunkt als rechtskonform:
„Bezüglich der Durchführung einer Beratung in einem „erweiterten“ Haupt- und Finanzausschuss
stimmen wir mit Ihnen darin überein, dass die Bildung, Zusammensetzung und Aufgaben der
Ausschüsse nach § 26 Abs. 1 Satz 2 ThürKO abschließend geregelt sind und deshalb die
Änderung bestehender oder Etablierung neuer Ausschüsse einer vorherigen Änderung der
Geschäftsordnung bedarf. Demnach wäre es nicht statthaft, ad hoc einen neuen Ausschuss mit
dem Titel „erweiterter Haupt- und Finanzausschuss“ zu bilden oder die Mitgliederanzahl des
bestehenden Haupt- und Finanzausschusses zu erweitern bzw. solchen Stadträten, die dem
Ausschuss nicht angehören, mit den Ausschussmitgliedern gleich zu stellen. … Wir haben den Bürgermeister auf die vorgenannte Rechtslage hingewiesen und empfohlen,
nach Möglichkeit die Vorberatung des Haushaltsentwurfes in einer Sitzung des Stadtrates
vorzunehmen, um sämtlichen Stadtratsmitgliedern eine gleichberechtigte Mitwirkung an den
Haushaltsberatungen zu ermöglichen. An der ggf. bisher „gelebten“ Praxis, Haushaltsentwürfe
in einem „erweiterten“ Haupt- und Finanzausschuss vorzuberaten, in dem neben den
Ausschussmitgliedern auch gleichzeitig die sonstigen Stadtratsmitglieder „gleichberechtigt“ an
der Sitzung mit Rederecht teilnehmen, sollte nicht mehr festgehalten werden.“
Diese Einschätzung deckt sich mit der Auffassung der AfD-Fraktion. Dementsprechend zeigt sich diese sehr zufrieden.
Weiterer Verstoß gegen Verfahrensvorschriften – kein Benehmen zur Tagesordnung hergestellt
Beim letzten Kritikpunkt war die Kommunalaufsicht etwas nachsichtiger mit dem Greizer Bürgermeister. Zwar gab sie auch hier der AfD-Fraktion grundsätzlich Recht, dass „gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 ThürKO das Benehmen mit dem Hauptausschuss über den Inhalt der Tagesordnung herzustellen [ist]„. Allerdings sieht das Thüringer Innenministerium dies als „bloße Ordnungsvorschrift“ – und die Kommunalaufsicht daher nicht den monierten Ladungsmangel. Spannend, wie die Exekutive den Willen der Legislative (Thüringer Landtag) quasi in´s Gegenteil verkehrt.
Bereits 2022 berichtete damals die Tageszeitung OTZ über eine nahezu analoge Auseinandersetzung. Auch damals bekam die beschwerdeführende AfD-Fraktion von der Kommunalaufsicht Recht. Schon damals versprachen CDU wie SPD öffentliche Haushaltsdebatten statt bloßen „Durchwinken“ des Haushaltes. Angesichts der erneuten Beschwerde blieb es augenscheinlich beim Versprechen. Klar wird: Die AfD-Bürgerfraktion nimmt die ihr zugewiesene Rolle als kontrollierende Opposition offenbar ernst.
Pressemitteilung der AfD-Bürgerfraktion Greiz@ 09.04.2025
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