(Greiz/26.3.2025) Nach dem zeitraubenden TOP 4 „Marstallquartier“ warteten noch weitere sieben Tagesordnungspunkte (TOP) auf Abstimmung. Grund: Der Greizer Bürgermeister lädt nur einmal im Quartal zu einer Stadtratssitzung. Dies führt regelmäßig zu zwei Dingen: a) zu überlangen Tagesordnungen und Dauer der Sitzungen und b) die Greizer müssen bis spät in die Nacht auf die Einwohnerfragestunde warten. Nach dem Willen des Bürgermeisters und der ihn tragenden Fraktionen ist dies immer der letzte TOP im öffentlichen Teil.
TOP 5: Kommunalverfassungsstreit: Überprüfung einer Wahl im Stadtrat (047/2025)
Bei diesem TOP/ Beschluss ging es um eine Erweiterung der Prozessvollmacht für die Leipziger Lieblingskanzlei des Greizer Bürgermeisters. Zur konstituierenden Sitzung am 19.06.2024 sowie in der Folgesitzung zeigten die Fraktionen CDU/Gemeinsam für Greiz gemeinsam sowie SPD/ DIE LINKE/ Bündnis 90/ Die Grünen, was die sprichwörtliche „politische Harke“ ist. Nicht die Wählerstimmen zählten. Sondern wer sich mit wem zusammenrottet. In diesem Fall die oben genannten Wahlverlierer, denn weder die personell deutlich zugelegte AfD-Bürgerfraktion noch die stabil gebliebene Fraktion IWA-ProRegion wurden bei Wahlen zum Stadtratsvorsitz, den Beigeordneten oder auch Vorsitzende von Ausschüssen berücksichtigt. Dagegen klagt aktuell die letztgenannte Fraktion, vertreten durch den Fraktionsvorstand Phillip Wünsch und Jens Geißler.
Diese Klage richtete sich zunächst gegen die Stadt Greiz, vertreten durch den Bürgermeister. Der beauftragte die Kanzlei Schenderlein aus Leipzig mit der Prozessvertretung. Kostenfrage? Ungeklärt. Durch richterlichen Hinweis vom Verwaltungsgericht (VG) Gera wurde klargestellt, dass dies ein „organschaftlicher Kommunalverfassungsstreit ist“, d.h. hier klagt eine Fraktion gegen den Stadtrat. Damit muss als Beklagter auch der Stadtrat Greiz, vertreten durch den Stadtratsvorsitzenden Holger Steiniger (DIE LINKE), verklagt werden. Dier nun vorgelegte Vorlage enthielt – erneut ohne Benennung der entstehenden Kosten – den Vorschlag, die Prozessvertretung zu erweitern. Geißler und Wünsch erklärten sich für „persönlich beteiligt“ und verließen bei der Abstimmung den Saal. Mit 27 Ja Stimmen der Stadträte plus Ja-Stimme des Bürgermeisters stimmte der Stadtrat der Erweiterung der Prozessvertretung zu.
TOP 5 und 6: Umschuldung von Kommunalkrediten (039/25 + 040/25)
Die Verwaltung in Gestalt von Stadtkämmerin Cindy Schmutzler schlug mit diesen beiden Vorlagen den Stadträten die Umschuldung von zwei Kommunalkrediten vor. Einer in Höhe von 1.642.770,53 €, der Zweite i.H.v. 498.653,11 € vor. Hier ging Stadtrat Andreas Petzoldt (AfD- Bürgerfraktion) an das Saalmikrofon. Er fragte nach, warum in der Vorlage bei 10 Jahren Laufzeit der neue Zinssatz mit „circa 3 Prozent“ angegeben sei. Die Stadtkämmerin erläuterte das Verfahren. Hier werde – ähnlich einer Ausschreibung bei Bauvorhaben – die Banken angefragt und diese geben ihre Angebote ab. Erst bei der zeitgleichen „Submission“ (Öffnung aller Angebote) wird dann klar, welche Bank konkret welchen Zinssatz anbietet. Die Vorlage enthält den Durchschnitt des am Markt üblichen Zinssatzes für Kommunalkredite. Petzoldt bedankte sich, anschließend wurden per Beschluss beide Vorlagen einstimmig angenommen.
TOP 8 und 9: Aufhebung von Beschlüssen (041/25 + 042/25)
In der Dezembersitzung des Stadtrates Greiz wurde vom Greizer Bürgermeister (BM) die deutlich überarbeitete „Satzung über Auszeichnungen der Stadt Greiz“ (023/24) sowie „Satzung über Auszeichnungen mit dem Wirtschaftspreis“ (024/24) vorgelegt. Anders als vom BM mit seiner Vorlage geplant setzte sich damals mehrheitlich die Fraktion IWA-ProRegion durch. Ihr Änderungsantrag, dass Auszeichnungen mit Zweidrittel-Mehrheit des Stadtrates zu vergeben sind, fand die notwendige Mehrheit im Stadtrat. Der BM legte dies der Kommunalaufsicht Greiz vor. Diese beanstandete die gefassten Beschlüsse unter Verweis auf § 39 Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) und forderte die Aufhebung der beschlossenen Satzungen. Was mit o.g. Beschlüssen in dieser Sitzung erfolgen sollte.
Für die Fraktion IWA-ProRegion ging Fraktionschef Phillip Wünsch an das Saalmikrofon. Er äußerte namens seiner Fraktion das Unverständnis über dieses Vorgehen. Zumal wie üblich die Fraktionen das Schreiben der Kommunalaufsicht gar nicht erhalten hatten. Da der Leiter der Kommunalaufsicht Greiz, Christian Richter, sich im Saal befand, stellte Wünsch folgenden Antrag:
„Herr Richter befindet sich heute ausnahmsweise hier im Saal. Wir beantragen daher für ihn als Leiter der Kommunalaufsicht Rederecht in dieser Sitzung, um ihn auch direkt fragen zu können.“
Dazu kam es aber gar nicht, denn aus dem Zuschauerraum echote der im Landratsamt Greiz beschäftigten Beamte auf Lebenszeit zurück: „Ich bin nur als Besucher hier“. Dies führte bei einigen Stadträten zu kräftigem Kopfschütteln.
Anschließend ging der Chef der AfD-Bürgerfraktion, Torsten Röder, mit einem dicken Wälzer (wie er erläuterte, dem Standardkommentar zur ThürKO) an das Saalmikrofon. Er äußerte zunächst sein Unverständnis über das Verhalten des Leiters der Kommunalaufsicht, hier kein Licht in´s Dunkel bringen zu wollen. Er gab Richter jedoch insofern Recht, dass die Regelungen der ThürKO (1993 von der damals alleinregierenden CDU im Thüringer Landtag beschlossen) eigentlich immer nur Minimalanforderungen darstellen, die nicht unterschritten werden dürfen. Wenn das Landesgesetz ThürKO an verschiedenen Stellen selbst eine qualifizierte Mehrheit (z.B. Mehrheit der Mitglieder, 2/3- Mehrheit, mindestens 1/3 der Mitglieder) regelt, darf diese durch eine kommunale Satzung selbstredend nicht unterschritten werden. Dieser Fall liegt hier aber nicht vor, stellt Röder dazu klar:
“ Wörtlich heißt es im Gesetzestext des § 39 Absatz 1 ThürKO nur: „Beschlüsse des Gemeinderats werden mit der Mehrheit der auf Ja oder Nein lautenden Stimmen gefasst, soweit nicht durch Gesetz eine andere Mehrheit vorgesehen ist. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt.“. Diese Regelung gilt auch noch dann, wenn eine kommunale Satzung (in dem Fall nicht das Gesetz) eine 2/3-Mehrheit vorsieht. Auch diese muss immer noch die Mehrheit der Ja-Stimmen erreichen und damit § 39 (1) ThürKO entsprechen. Denn im Gesetzestext wird jeweils nur die Minimalforderung „Mehrheit der auf Ja lautenden Stimmen…“ formuliert. Im Gesetzestext von § 39 wird aber explizit keine „einfache Mehrheit“ vorgeschrieben, somit ist diese auch nicht zwingend vorgegeben. Das Gesetz darf ohne Frage nicht unterschritten werden. Aber der kommunalen Selbstverwaltung lässt die ThürKO durchaus Spielräume. Die sehen wir hier verletzt.“
Trotz dieses rechtliches Exkurses sahen die anderen Fraktionen keinen weiteren Gesprächsbedarf. So wurde über beide Vorlagen abgestimmt. Die im Dezember beschlossenen Satzungen wurden beide mit 12 Nein- Stimmen (AfD-Bürgerfraktion, IWA-ProRegion) gegen 16 Ja-Stimmen aufgehoben.
TOP 10: Sanierung der Stützmauern und Brücken der Stadt Greiz (046/25)
Stephan Marek (SPD) begründete für die einbringende Fraktion diese Vorlage. Der Vortrag von Bauamtsleiter Dr. Volker Rausch in der Stadtratssitzung im Dezember 2024 zum Zustand der Greizer Brücken hatte einen Sanierungsstau von über 6 Millionen Euro offengelegt. In einem der folgenden Bauausschüsse hatte der Sachgebietsleiter Tiefbau Detlef Sambale zum katastrophalen Zustand der Greizer Stützmauern mit einem zusätzlichen Sanierungsstau von geschätzten 8 Mio. Euro dargelegt. Dies führt die SPD zur aktuellen Vorlage, da die Stadträte keine konkreten Kenntnisse haben und die Verwaltung auf Basis einer Prioritätenliste diese bis zum 31.05.2025 vorlegen soll.
Für die AfD-Bürgerfraktion stimmte Enrico Eisentraut am Saalmikrofon sowohl dem erkannten Sanierungsstau als auch fehlenden Informationen seitens der Stadträte zu. Er stellte den Ergänzungsantrag, dass „die Wichmannstraße mit Priorität A in die Prioritätenliste aufgenommen werden sollte. Als wesentliche Zufahrt zum Krankenhaus Greiz hängen vom Zustand dieser Straße Menschenleben ab.“. Ines Wartberg (SPD) entgegnete, dass die Prioritätenliste nicht vorweggenommen werden sollte. Über den Ergänzungsantrag der AfD-Fraktion wurde letztlich gar nicht mehr abgestimmt.
Jens Geißler (IWA-ProRegion) führte aus, dass die Prioritätenliste allein die Stadt Greiz keinen Millimeter weiterbringt. Was seit Jahren für andere „Leuchttürme“ unterdrückt wurde, war die Bereitstellung von Finanzmitteln für Planungsleistungen. Dies sei seiner Meinung auch die Grundvoraussetzung für Anträge auf Fördermittel, denn ohne Planung keine Kostenschätzung und somit keine belastbaren Zahlen. Er stellte daher den Antrag, den ursprünglichen Text der SPD mit Ziffer 1 zu versehen. Als Ziffer 2 sollte eingefügt werden „2. In der Haushaltsdebatte 2025 sind Mittel für Planungsleistungen einzuplanen und zu begründen.“. Über die geänderte Vorlage wurde zu Ziffer 1. und 2. getrennt abgestimmt, beide wurden einstimmig angenommen. Damit wurde an die Verwaltung ein klarer Arbeitsauftrag erteilt.
TOP 11: Prüfung der Möglichkeiten für einen Ausstieg aus dem Arbeitgeberverband (048/25)
Einbringer war die Fraktion IWA-ProRegion, für die Jens Geißler die Vorlage begründete. Er verwies auf die explodierenden Personalkosten im öffentlichen Dienst aufgrund des bundesweit einheitlichen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Das starre Korsett und die hieraus resultierenden Kosten würden zunehmend die Kommunen überfordern und an den Rand der finanziellen Handlungsfähigkeit bringen. Der Prüfauftrag soll eine Güterabwägung vornehmen, inwieweit die Stadt Greiz mit dem Ausstieg aus dem Arbeitgeberverband (damit auch der TVöD-Tarifbindung) und einem Haustarifvertrag flexibler agieren und ggf. sogar leistungsgerechtere Entlohnung erreichen kann.
Erwartungsgemäß erfolgte daher sofortiger Widerspruch durch Ines Wartenberg (SPD). Sie fand es unmöglich, dass hier über Vergütung gesprochen werden soll, über die Köpfe der 220 Beschäftigten der Stadtverwaltung Greiz hinweg. Wenn man gutes Fachpersonal will, müsse man es auch ordentlich bezahlen. Ihr sekundierte Marcel Buhlmann (B90/ Die Grünen), der den Mitarbeitern empfahl, in die Gewerkschaft einzutreten.
Wieder trat Torsten Röder (AfD-Bürgerfraktion) mit seinem dicken Wälzer an das Saalmikrofon. Er stellte in Richtung Bürgermeister zunächst klar, dass dieser 2018 mit einem Verwaltungshaushalt (VwHH) von 28 Mio. € in sein Amt gekommen sei. Nach dessen erster Amtsperiode betrug der VwHH 2024 dann schon 37,7 Mio. € – nach oben offen. Bisher habe der Bürgermeister diese exorbitanten Steigerungen gern auf die Personalkosten geschoben, auf die er wegen Tarifsteigerungen keinen Einfluss habe. Röder betonte, dass bei Ablehnung der Vorlage diese Ausrede in künftigen Haushaltsdebatten nicht mehr zünden werde.
Die gleiche Vorlage war im Kreistag durch den Landrat Dr. Ulli Schäfer (CDU) mit „das ist rechtlich nicht möglich“ unter Verweis auf die §§ 111 und 33 ThürKO abgelehnt worden. Röder betonte, dass § 111 ThürKO dazu gar nichts aussage. Er verwies zugleich darauf, dass § 33 Absatz 3 Satz 1 ThürKO zwar auf die Tarifbindung Bezug nähme. Anders aber Satz 2, wie Röder mit Hilfe des Standardkommentars ausführte:
„Der Landrat scheint § 33 ThürKO nicht vollständig gelesen oder verstanden zu haben. Denn in Absatz 3 Satz 2 heißt es wörtlich: „Ist die Gemeinde nicht tarifgebunden, so dürfen Eingruppierungen und Vergütung sowie alle sonstigen Leistungen höchstens denjenigen der vergleichbaren Angestellten und Arbeiter der tarifgebundenen Gemeinden entsprechen.“ Wenn also das Gesetz selbst das Thema „nicht tarifgebunden“ aufgreift und auch nicht verbietet, dann ist dies – unter engen Voraussetzungen – auch möglich.“
Röder appellierte an die Stadträte, dass es an diesem Tagesordnungspunkt doch nicht gar nicht um eine Entscheidung gehe: „Heute und hier soll über einen Prüfauftrag an die Verwaltung entschieden werden, der die grundsätzliche Machbarkeit eines Haustarifvertrages und dessen Auswirkungen untersuchen soll. Von Details wie Eingruppierungen sei man noch meilenweit entfernt. „. Weitere Wortmeldungen gab es nicht, so dass der Stadtratsvorsitzende die Vorlage zur Ablehnung stellte. Bei 16 Ja-Stimmen (u.a. 8x AfD, 4x IWA-ProRegion sowie 3x CDU), 10 Nein-Stimmen sowie 2 Enthaltungen wurde diese Vorlage mehrheitlich angenommen.
TOP 12: Schriftliche Anfragen
Hier verwies Bürgermeister Alexander Schulze auf eine Anfrage zur Grundsteuer-Problematik. Er beantwortete diese mit der Feststellung, dass ab 10.03. 2025 die Grundsteuerbescheide von der Stadt Greiz versandt wurden. Aktuell liegen innerhalb der vierwöchigen Widerspruchsfrist lediglich 41 Widersprüche vor, von denen einem bereits abgeholfen wurde.
TOP 13: Einwohnerfragestunde
In der Einwohnerfragestunde erschien erneut Andreas Müller als Anwohner der Straße „Am Schluchter“ im Greizer Ortsteil Untergrochlitz. Er bezog sich auf den Schriftverkehr mit dem Bürgermeister und Aussagen der Stadtverwaltung. Angeblich gebe es keine Schäden am Straßenkörper. Müller legte ca. 10 großformatige Fotos vor, auf denen klar Straßenschäden erkennbar waren. Ihm wurde – erneut – eine Rückmeldung der Stadtverwaltung zugesagt.
Am 26.03.2025 um 21.05 Uhr beendete der Stadtratsvorsitzende den öffentlichen Teil der Stadtratssitzung.
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