(Greiz/ 26.03.2025) In der Sitzung am 26.3.2025 stimmte der Greizer Stadtrat nach langer und kontroverser Debatte mehrheitlich für die Fortsetzung des Bebauungsvorhabens „Marstallquartier“. Damit stellten sich 20 Mitglieder des Stadtrat Greiz den über 4.700 Greizer Bürger entgegen, welche mit ihrer Unterschrift die vorgestellte Marstallbebauung abgelehnt hatten.

Die nur vierteljährlich stattfindende Greizer Stadtratssitzung fand daher diesmal unter großer Zuschauerresonanz statt, so dass noch Stühle für den kleinen Sitzungssaal beschafft werden mussten.
Erklärung des Bürgermeisters zur Unkenntnis bezüglich Vorstrafe des Greizer Bauamtsleiters
Zu Beginn der Sitzung gab es eine etwas lahme Erklärung von Bürgermeister (BM) Alexander Schulze (parteilos/ gewählt über Liste CDU/ Gemeinsam für Greiz) zur Verurteilung des Greizer Bauamtsleiters. Vorgeworfen wird dem derzeit freigestellten Amtsleiter sexueller Missbrauch von Kindern. Das – noch nicht rechtskräftige – Urteil vom 25.03.2025 lautete auf ein Jahr und sechs Monate Freiheitsentzug. Maßgeblich für die Entscheidung der Richterin war unter anderem, dass der Angeklagte bereits einschlägig vorbestraft war und unter Bewährung stand.
All das war laut Erklärung des BM weder ihm persönlich noch der Stadtverwaltung bekannt. Nur zwischen den Zeilen konnte man heraus hören, dass weder er noch das Personalamt vor oder nach Einstellung des Bauamtsleiters (mit erheblicher Budgetverantwortung) nach Vorstrafen gefragt hatten. Auch ein Führungszeugnis war nicht eingefordert worden. All das will Schulze nun schnell ändern, um „um so zu verfahren, wie dies andere Verwaltungen schon machen“. Nachdem bereits seit dessen Amtsantritt 2018 mehrfach strafrechtliche relevante Taten in der Stadtverwaltung entdeckt wurden, hätte dieser Sinneswandel wohl deutlich früher einsetzen können- und müssen.
Erster Tagesordnungspunkt nach dem formellen Teil: Bebauung Marstallquartier
Der >>Bebauungsplan Nr. 62/20-SO „Marstallquartier“ – Grundsatzbeschluss und Planvorgaben – (Beschluss 038/ 2025)<< stand als Tagesordnungspunkt (TOP) 4 zur Befassung an. Zunächst informierte Stadtratsvorsitzender Holger Steiniger (DIE LINKE) den Stadtrat darüber, dass sowohl Investor Wagner als auch Vertreter des Thüringer Landesamtes für Bau und Verkehr (TLBV, früher kurz und schmerzlos Straßenbauamt) anwesend seien. Er rief eine Abstimmung zur Erteilung des Rederechts auf, welches die Stadträte für beide einstimmig gewährten.
CDU-Fraktionschef Tischner: Wir unterstützen das Bauvorhaben
Unmittelbar nach Eröffnung der Debatte erhielt Christian Tischner, Vorsitzender der CDU/ Gemeinsam für Greiz (GfG)-Fraktion, das Wort. Für seine Fraktion bedankte er sich sowohl beim Investor als auch der Verwaltung, die das Vorhaben seit 2020 begleiten. Im Ergebnis des Redebeitrages war klar zu erkennen, dass die CDU für das Bauvorhaben stimmen wird.
Uwe Staps (AfD): Wir brauchen keine neuen Einkaufstempel, sondern Arbeitsplätze
Für die AfD-Bürgerfraktion ging Uwe Staps an das Rednerpult. Er hatte im Vorfeld diverse Statistiken recherchiert und verwies darauf, dass Greiz prognostiziert nur noch 15.000 Einwohner haben wird. „Schon jetzt wird das EDEKA-Center nicht so angenommen wie erhofft. Dort mussten bereits 20 Leute entlassen werden. Was wir brauchen, sind keine neuen Einkaufstempel, sondern neue Arbeitsplätze. Denn die Jugend zieht weg“ betonte Staps unter Verweis auf Telefonate mit seiner Tochter. Diese studiert an der Bundeswehr-Universität in München und hat klar erklärt, dass sie „nicht nach Greiz zurückkommen werde“.
Uwe Staps verwies ferner darauf, dass die AfD-Bürgerfraktion von Anfang an dem Projekt zwiespältig gegenüberstand, namentlich die Verkehrsanbindung Marstallstraße sehr kritisch sehe. Bisher seien die Fragen seit 2020 nicht belastbar beantwortet worden, was in der späteren Diskussion noch eine Rolle spielen sollte.
SPD-Fraktionsvorsitzender Stephan Marek erwiderte „von oben herab“
Unmittelbar auf Staps folgte SPD-Fraktionschef Stephan Marek, der auch sofort direkt auf den Beitrag seines Vorredner Bezug nahm. Wie fast immer in seinem Auftreten maßregelte er Staps „von oben herab“, wobei er diesen in Teilen erkennbar missinterpretierte. Anspielend auf seine Zeit als Wirtschaftsförderer in der Stadtverwaltung Greiz betonte Marek, dass er schon deutlich länger als 2020 mit Investor Wagner in Kontakt stünde. Greiz könne angesichts der Investitionssumme froh sein, dass der Investor das Vorhaben noch verfolgen würde. Aus dem Beitrag wurde bereits deutlich, dass das bunte Bündnis SPD/Aktiv für Greiz/ DIE LINKE/ Bündnis 90/Die Grünen der Verwaltungsvorlage zur Fortsetzung des Bauvorhabens zustimmen werde.
Phillip Wünsch: IWA- Pro Region sieht das Bauvorhaben kritisch
Für die Fraktion IWA-Pro Region betonte Fraktionschef Phillip Wünsch, dass sich deren Stadträte intensiv mit der Vorlage beschäftigt hätten. Und dennoch seien Bauchschmerzen geblieben. So sei nach der Bürgerversammlung in der Vogtlandhalle eher unklar, welche sog. „Ankermieter“ denn tatsächlich noch „an Bord“ seien. Herr Steiniger sei in der OTZ zitiert worden, dass ALDI nicht (mehr) benötigt werde. Auch die von der Oberen Denkmalschutzbehörde geforderte Abstandsfläche zum Marstall stehe noch im Raum. Ob die nun ausgewiesene Hofbreite von 15,75 m dem Denkmalschutz genüge, sei völlig unklar. Die Verkehrserschließung sei jedoch das brennende Thema. Aktuell habe die Fraktion mehr Fragen als Antworten.
Fortsetzung der Berichterstattung aus dem Stadtrat in Teil II (ff.)
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